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Im Gespräch mit Joachim Brenncke, Vorsitzender des Fördervereins Welterbe Schwerin e. V.

Schwerin - auf dem Weg zum Weltkultur­erbe

Foto: Welterbe Schwerin Förderverein e.V.

Text: Anne-Sophie Woll

Zwanzig Jahre, nachdem die Altstädte Stralsund und Wismar durch die UNESCO zum Weltkulturerbe gekürt worden sind, ist das Thema wieder aktuell. Die Landeshauptstadt Schwerin bewirbt sich mit dem Residenzensemble um den Weltkulturerbe-Titel. Warum Schwerin das Potenzial hat, Weltkulturerbe zu werden und, welchen Stand die Bewerbung zurzeit hat, fand Anne-Sophie Woll im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Fördervereins Welterbe Schwerin, Joachim Brenncke, heraus.

Abb.1: Das vielfältige Residenzensemble aus der Luft, Foto: Welterbe Schwerin Förderverein e.V.

 

Joachim Brenncke wünscht sich als Vorsitzender des Welterbe Schwerin Fördervereins e. V. ein stärkeres Bewusstsein für den Wert des Welterbe-Titels in der Öffentlichkeit.

Foto: Joachim Brenncke ©C. Kruppa

Wie ist die Idee für die Welterbe-Bewerbung entstanden?
Brenncke: Angestoßen hat die Idee Prof. Dr. Gottfried Kiesow, der Gründer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, welcher auf den außergewöhnlichen Wert der zahlreich vorhandenen Gebäude des Historismus in Schwerin hinwies. Er hielt eine Bewerbung um den Welterbestatus für denkbar und der Verein Pro Schwerin nahm sich dem Thema, entgegen allen Zweifeln, an. Im Jahr 2000 führte er eine öffentliche Mitgliederversammlung unter dem Titel „Das Schweriner Schlossensemble“ durch. Dies war der Startschuss für eine Reihe von Veranstaltungen, die auch die öffentlichen Verwaltungen von der Idee überzeugten.

Was macht Schwerin zum potenziellen Weltkulturerbe?
Brenncke:
Schwerin wurde 2014 unter dem Titel „Kulturlandschaft des romantischen Historismus“ durch die Kultusministerkonferenz auf die deutsche Tentativliste gesetzt. Man sah die Einmaligkeit in der Einbettung der zahlreichen historistischen Gebäude in die Kulturlandschaft. In Folge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und dem Abgleich mit den Kriterien der UNESCO kam es jedoch zu einer Neuausrichtung. In der jetzigen Bewerbung steht die Kunst des Historismus ganz im Zeichen der Großherzöge. In herausragender Weise veranschaulicht das Schweriner Schlossensemble die Spätphase der höfischen Kultur des 19. Jahrhunderts in Europa. Teil der Bewerbung ist demnach das Schweriner Schloss gemeinsam mit über 30 weiteren Bauwerken, die den Machtanspruch des Hofes dokumentieren, darunter der Marstall, aber auch das alte Palais.

Wer sind die Beteiligten der Welterbe-Bewerbung?
Brenncke:
Der Antragsteller ist die Landeshauptstadt Schwerin. Die Kommunikation rund um die Bewerbung lief darüber hinaus in enger Abstimmung mit dem Landtag und Landtagsverwaltung, weil das Schloss das Herzstück der Welterbe-Bewerbung darstellt und auch ein Großteil der Regierungsgebäude Teil der Bewerbung sind. Hinzu kommt ein wissenschaftlicher Beirat.

Was waren bisher die größten Herausforderungen bei der Bewerbung?
Brenncke: Einerseits war die wissenschaftliche Schwerpunktsetzung ein umfassendes Thema. Auf der anderen Seite die Schärfung des Bewusstseins bei allen Beteiligten, was die Bewerbung fordert. Der Bewerbungsprozess ist ein sehr komplexes Verfahren, dem man nur mit umfangreichen zeitlichen Ressourcen und Fachleuten gerecht wird.

Wie ist der aktuelle Stand des Bewerbungsverfahrens?
Brenncke: Der Antrag ist geschrieben und wurde ins Englische übersetzt. Jetzt folgt die Illustration mit aussagekräftigen Fotos, so dass im Februar 2023 der Antrag zusammen mit dem Managementplan an die UNESCO übersandt werden kann. Damit ist der erste Teil der Bewerbung erfolgreich abgeschlossen.
Der zweite Abschnitt besteht darin, dass im Laufe des Jahres 2023 Vor-Ort-Besichtigungen stattfinden werden. Diese werden von der ICOMOS (International Council of Monuments and Sites) als Beraterorganisation der UNESCO durchgeführt und in einem Gutachten festgehalten, das ebenso Bestandteil der Bewerbung wird. Das Hauptkriterium ist hierbei, wie weit das Thema des Welterbes in der Gesellschaft reflektiert wird.
Die Entscheidung über die Aufnahme auf die Liste des Weltkulturerbes wird dann 2024 durch die UNESCO getroffen.

Welche Rolle spielt der Förderverein Welterbe Schwerin?
Brenncke: Wir als Förderverein haben die Aufgaben von Pro Schwerin e.V. vor drei Jahren mit dem Ziel übernommen, das Thema Welterbe-Bewerbung ganz fokussiert angehen zu können, um die Bearbeitung zu intensivieren. Wir sehen unseren Hauptauftrag darin, auf populärwissenschaftlichem Niveau die Stadtgesellschaft über den Bewerbungsstand zu informieren und für dieses Thema zu begeistern. So wurde auf Initiative des Fördervereins der Welterbe-Platz mit einer Informationstafel rund um das Thema und ein 3D-Stadtmodell errichtet. Wir haben Informationsblätter verteilt, Inhalte für einen Audioguide bereitgestellt und zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt. Das „Fest für das Welterbe“ Mitte September, in Kooperation mit den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, kann hierbei als aktuelles Beispiel genannt werden.

Was steht bis zum Ende der Bewerbung 2024 noch an?
Brenncke: Das Welterbethema muss weitere Kreise ziehen. Bisher lassen es die Mittel nur zu, sich auf Schwerin und das Umland zu konzentrieren. Hier sollte deutlich mehr passieren. Es ist jeder gefragt, vom Stadtmarketing, über den Landestourismusverband bis hin zu einzelnen Bürgerinnen und Bürgern! Jeder kann seinen Beitrag leisten, in dem er über das Bewerbungsverfahren spricht, sich bei Veranstaltungen engagiert oder finanzielle Unterstützung leistet. Unser Ziel muss es sein, dass wir gemeinsam für die Bewerbung brennen und uns voller Begeisterung für sie einsetzen. Wir können stolz auf unsere Baukultur im Land sein und das darf auch jeder wissen! Ganz im Sinne: Meine Welt - mein Erbe! Der Anfang ist gemacht.

Vielen Dank für das Gespräch.